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ZWEITES DEUTSCHES FERNSEHEN
Geschäftsstelle Fernsehrat und Verwaltungsrat
55100 Mainz



Betrifft: Programmbeschwerde gemäß § 21 Abs. 2 der ZDF-Satzung über die Serie “Ella Schön”

Ich beschwere mich hiermit formell beim Fernsehrat über die Darstellungen von autistischen Menschen im ZDF Fernsehen und in der ZDF Mediathek.

Die Beschwerde richtet sich dabei gegen die Serie “Ella Schön” als ganzes, ich beziehe mich allerdings auch konkret auf Darstellungen aus Folge eins und drei.

Content Note: Um meine Beschwerde zu formulieren, muss ich über bestimmte sensible Themen schreiben, dazu zählen: Marginalisierung, Beziehungskonflikte, Tod, Sexualität, Trauma, sexuelle Gewalt sowie Probleme mit mentaler Gesundheit und negativen Selbstbildern.

Die Serie verstößt in meiner Auffassung gegen folgende Richtlinien für die Sendungen und Telemedienangebote des ZDF:

  1. (1) Wahrung der Menschenwürde
    (2) Bildung von Urteilsvermögen

  2. (2) Objektivität

  3. (1) kritische Haltung gegenüber undemokratischen Erscheinungen
    (2) Förderung von Verständnis zwischen sozialen Gruppierungen und Schutz ethnischer Minderheiten.
    (3) Barrierefreiheit

    Da die Verstöße gegen Richtlinien I (1) bis III (2) ausführlicher Erklärung bedürfen, ist der von der gerichteten Kritik überwiegend unabhängige Punkt Barrierefreiheit hier vorgezogen.

III (3) Barrierefreiheit

Die Angebote des ZDF müssen allen Teilen der Gesellschaft zugänglich sein. Daher ist das ZDF angehalten, höchsten Standards für Barrierefreiheit zu folgen.

An Traumafolgestörungen leidende Menschen sind darauf angewiesen, dass sie mit bestimmten Triggern nicht unverhofft konfrontiert werden. Dabei zählen unter anderem Trauma, Tod, Beziehungskonflikte, Sexualität und Marginalisierung zu Themen, die häufiger problematisch sein können und die ohne Nennung von Content Notes in der Serie “Ella Schön” vorkommen.

Die Nutzung von Content Notes ist allgemein wichtig für Barrierefreiheit, bekommt im Kontext von Autismusrepräsentation jedoch noch zusätzliche Bedeutung, da autistische Menschen häufiger von Traumafolgestörungen betroffen sind.

Diese Menschen müssen darauf vertrauen können, dass sie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht unvorbereitet mit potentiellen Triggern konfrontiert werden. Aktuell müssen sie jedoch aus Selbstschutz das Programm zu großen Teilen meiden. Das schließt sie vom Zugang zu den Angeboten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus und verstößt daher gegen die Richtlinien des ZDF.

Der Redaktionelle Aufwand, diese Content Notes in einem mindestens grundlegenden Umfamng zu anzubieten, steht in keinem Verhältnis zu dem immensen Mehrwert für Betroffene und daher ist es unverständlich, weswegen nur vereinzelt Angebote der FUNK-Kanäle so genannte Triggerwarnungen nutzen.

Persönliche Anmerkung zur Umsetzung:

Ich verstehe, dass eine dedizierte Moderation vor jeder Sendung auf manche unverhältnismäßig wirken könnte, jedoch würde auch eine kleine Einblendung mit Verweis auf weiterführenden Informationen im Teletext bereits helfen.

In der Mediathek würden Content Notes zu Beginn der Videobeschreibung das Angebot barrierefreier gestalten und nur wenig zusätzlichen administrativen und redaktionellen Aufwand verursachen.

Natürlich ist hier keine absolute Barrierefreiheit möglich, weil Trigger so vielfältig sind: Ich kenne zum Beispiel eine Person, bei der ein Trauma durch das Thema “Weihnachten” hervor gebracht werden kann.

Aber zumindest Hinweise auf einige häufige sensible Themen und Phobien sind möglich, sinnvoll und auch für die Allgemeinheit praktisch: Weil ehrlich gesagt hat vermutlich jede_r so bestimmte Themen, die tagesformabhängig manchmal “einfach nicht sein müssen”.

Vorbemerkungen

Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Autor_innen der Serie Ella Schön gute Intentionen hatten und in der Serie autistische Menschen positiv repräsentieren, ihre Wesenszüge authentisch und in einem humorvoll wohlwollenden Licht darstellen wollten, um so für mehr Verständigung zwischen sozialen Gruppen zu sorgen und die Beteiligung autistischer Menschen an gesellschaftlichen und demokratischen Prozessen zu erleichtern.

Das Produktionsteam von Ella Schön hat sich vermutlich in einem für das Team angemessen scheinenden Maße mit Autismus auseinander gesetzt und so einige Aspekte des autistischen Spektrums auch gut darstellt. Dennoch stellt die Serie andere Aspekte so verzerrt dar, dass es selbst im Kontext einer fiktionalen Darstellung weder mit der Lebensrealität von Betroffenen noch mit den Grundsätzen des ZDF vereinbar ist.

Denn die Autor_innen wussten zwar scheinbar von der Existenz vieler Wesenszüge und Eigenschaften, zeigen jedoch in der Serie wenig Verständnis dafür, was diese für die Lebensrealität autistischer Menschen bedeuten und, wie sie zu werten sind.

So werden wesentliche autistische Eigenschaften in “Ella Schön” derart pervertiert und unempathisch dargestellt, dass es selbst mit dem erklärten Ziel eine sachlich fundierte Kritik zu formulieren, unerträglich war die Serie vollständig und ohne häufige Pausen zu konsumieren. Ich persönlich bin erschüttert und entsetzt. Viele meiner ebenfalls autistischen Freunde teilen unabhängig voneinander diese Einschätzung; eine gute Bekannte von mir brach in Tränen aus und mehrere haben mir berichtet, dass Darstellung in Ella Schön sie an erlebte sexuelle Übergriffe erinnert haben.

Die Figur “Ella Schön” wirkt wie eine clownhafte, absurde und entmenschlichte Ansammlung von tatsächlich im autistischen Spektrum vertretenen Eigenschaften. Die Figur ist ständig angespannt und scheint in einem permanenten Angstzustand zu leben. Das spiegelt zwar teilweise wieder, wie wir uns in einer von neurotypischen Menschen und Ausgrenzung geprägten Welt verhalten, bisweilen bildet die Figur jedoch auch einfach nur schädliche Stereotype ab. Ein hier notwendigs Feingefühl und Problembewusstsein zeigt die Serie nicht.

Die Serie hält zwar durch Ellas einzigartige logische Begabung vielen irrationalen menschlichen Schwächen kritisch den Spiegel vor, hinterfragt jedoch nicht die eigenen kognitiven Verzerrungen und ableistischen Vorurteile der Produzierenden. So können weder Serie noch Figur eine Vorbildfunktion einnehmen.

Doch fiktive Vorbilder sind für autistische Menschen immens wichtig und eine Serie wie “Ella Schön” hätte das Potential so ein Vorbild für Autist_innen zu sein. Und das wäre unbeschreiblich wichtig: Autistische Menschen sind einfach relativ selten und uns fehlen oft Vorbilder und Mentoren im alltäglichen Leben.

Vorurteile und autistische Empathie

Die Serie zeigt zwar Interesse, Vorbild für das friedliche Zusammenleben mit autistischen Menschen zu sein, kann diesem Anspruch jedoch nicht gerecht werden. Das liegt insbesondere auch daran, dass immer wieder schädliche Vorurteile über autistische Menschen verstärkt werden:

Zum Beispiel denken viele, dass autistische Menschen wenig bis keine Empathie empfinden könnten und so immer wieder andere verletzen würden.

In der Serie wird dies reproduziert: In der ersten Folge dringt die Protagonistin wiederholt in den (wie sie aufgrund ihres Spezialinteresses wissen müsste) gesetzlich im besonderen Maße geschützten Wohnraum einer verwitweten und alleinerziehenden Mutter, Christina, ein. Des weiteren nimmt sie billigend in Kauf, dass sie Christina und ihre Kinder traumatisiert, weil sie diese “los werden” und aufgrund eigener finanzieller Interessen aus ihrem Haus vertreiben will.

Dies steht im klaren Gegensatz zu authentischem autistischen Verhalten, da wir oft ein zuweilen zwanghaftes Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Fairness haben.

Richtig ist, dass autistische Menschen wegen ihrer unterschiedlichen Emotions- und Gedankenwelt gegenüber neurotypischen Menschen Probleme in der sozial-emotionalen Gegenseitigkeit haben und so im Alltag immer wieder auf Ablehnung stoßen. Autistische Menschen haben jedoch kein vermindertes Bedürfnis, Empathie gegenüber anderen zu empfinden und zu zeigen. Ihre Wesenszüge werden jedoch von anderen immer wieder falsch verstanden und Autist_innen wirken daher oft weniger empathisch. Dies ist jedoch ein gegenseitiges Problem: So wie Autist_innen häufig neurotypische Menschen missverstehen, verstehen neurotypische Menschen auch häufig Autist_innen falsch.

Dadurch fühlen sich viele neurotypische Menschen instinktiv bedroht und reagieren mit Ausgrenzung. Diese Marginalisierung und die erschwerend hinzukommenden, weiteren systematischen Diskriminierungen sind für autistische Menschen eine immense Belastung und viele entwickeln dadurch auch Traumafolgestörungen.

Diese Tatsache ist leider ein zentraler Aspekt autistischer Erfahrungen und sollte daher durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten auch mit angemessener Sorgfalt thematisiert werden. Im Gegensatz zu häufigen Erlebnissen autistischer Menschen beruht jedoch der zentrale Konflikt aus Folge eins nicht auf einem Problem der sozial-emotionalen Gegenseitigkeit: Ella muss sich nicht in eine andere Gefühlswelt hineinversetzen, um zu verstehen, dass Christina ein Grundbedürfnis nach einer sichere Wohnung hat und, dass dies vor Ellas eigenen finanziellen Interessen steht. Klar kann durch so einen Interessenskonflikt eine Überforderung entstehen, aber solch ein Konflikt wird in der Serie nicht dargestellt. Stattdessen ist sie gegenüber den Interessen ihrer Mitmenschen oft gleichgültig. Das zeigt sich auch dadurch, dass sie ein Schlichtungsangebot ablehnt und nur aufgrund der verheimlichten Beziehung ihres verstorbenen Ehemanns einen Overload erlebt.

Diese Darstellungen verdrehen Tatsachen zu existierender Traumatisierung, sind so für autistische Menschen extrem verletzend, bestärken negative Vorurteile, behindern so Verständnis zwischen sozialen Gruppen und bilden bei den Zuschauenden ein verzerrtes Problembewusstsein aus.

Das mediale Bild der autistischen Roboter

Hinzu kommt, dass Ella Schön weitere Vorurteile gegenüber autistischen Menschen bedient: Sie zeigt kaum Emotionen, spricht fast ausschließlich auf Sachebene, weiß einen bemerkenswert detaillierten Fakt für jede Situation und ist durch ihre “Inselbegabung” ein Genie mit quasi übermenschlichen Fähigkeiten. Sie wirkt fast wie die klischeehafte Vorstellung von Robotern; mit hoch ausgebildeten Fähigkeiten, aber ohne Empathie und Emotionen.

Natürlich gibt es autistische Personen mit bemerkenswerten Fähigkeiten und manche davon zeigen auch relativ wenig Emotionen. Diese Menschen verdienen Repräsentation, sind jedoch medial überproportional vertreten, obwohl sie insbesondere unter autistischen Frauen nur eine kleine Gruppe bilden. Dies ist für viele autistische Menschen aus drei Gründen schädlich:

  1. Dieses Klischee triggert Sozialphobien, weil autistische Menschen Angst davor haben, ständig nur als “Alien” oder “Roboter” wahrgenommen zu werden.

  2. Gleichzeitig verhindert es, dass undiagnostizierte autistische Menschen ihre Natur erkennen und sich die Hilfe einfordern, die sie im Alltag benötigen: Weil Inselbegabungen und diese extreme soziale Eigenartigkeit so zentral mit dem gesellschaftlichen Bild von Autismus verbunden sind, können sich viele autistische Personen überhaupt nicht vorstellen, selbst zum Spektrum zu gehören.

  3. Zumal diese starke Verknüpfung mit Inselbegabungen auch Erwartungen aufbaut, denen viele nicht gerecht werden können, was weitere Selbstzweifel auslöst.

Autistische Emotionalität und Maskung

Insbesondere die mit dem oben genannten Klischee verbundene Emotionslosigkeit ist keine intrinsisch autistische Eigenschaft, sondern Symptom davon, wie sich durch Marginalisierung entstandene Traumafolgestörungen in uns manifestieren. Wenn Menschen ihre natürliche Persönlichkeit und Emotionalität verbergen und quasi vorgeben jemand anderes zu sein, nennt sich das Masking. Masking ist dabei ein wesentlicher Schutzmechanismus und wird ausgelöst durch Angst und Bedrohung von außen.

Dieses Masking ist eine dominante Eigenschaft von Ella Schön, die selbst in romantischen Szenen nicht gebrochen wird und es wird in der Serie nicht gezeigt, was dies bedeutet.

Ich habe im Vorfeld dieser Beschwerde mit vielen autistischen Menschen geredet, denn wir haben selbst viele positive Erfahrungen damit, wie wundervoll emotional und liebevoll autistische Menschen in intimen, romantischen und eben vor allem gesunden Beziehungen sind. Denn wenn wir uns in der Geborgenheit unserer Partner_innen sicher fühlen, haben wir auch keinen Grund zu maskieren. So entdecken auch viele autistische Menschen in Liebesbeziehungen viel von ihrer natürlichen Persönlichkeit “hinter der Maske”.

Ella Schön jedoch zeigt fast nie Emotionen und ist auch körperlich konstant angespannt. Das ist zwar für manche autistische Menschen bedauerlicherweise Realität, wird aber in der Serie nicht als problematisch, sondern allenfalls als sonderbar dargestellt.

Insbesondere im Kontext von erotischen und intimen Szenen ist das Level an dargestelltem Masking wirklich überhaupt nicht mehr harmlos: Denn zwar zeigt Ella Schön im Text der Serie eindeutig Imitative und hohe Libido, sie maskiert dabei jedoch unvermindert stark und zeigt in Körper- und Lautsprache keinerlei autistische Zeichen von Freude und Zuneigung.

Dass Ella Schön in intimen Szenen keine positiven Emotionen ausdrückt, weiterhin maskiert und daher zeigt von außen bedroht zu werden, hat bei mehreren autistischen Menschen unabhängig voneinander Assoziationen zu sexuellen Übergriffen hervor gerufen, die manche davon auch selbst erfahren mussten.

Hier gilt meine Empathie jedoch auch vor allem autistischen Frauen, die diese Szenen sehen und denken könnten, das wäre normal und harmlos.* Denn leider lassen sich in diese Szenen auch teilweise folgende Botschaften lesen:

Es ist nicht so schlimm, wenn du dich in einer Beziehung so unsicher fühlst, dass du deinem Partner gegenüber keinerlei Emotionen oder Liebe zeigen kannst, so lang ihr genug guten Sex habt”

oder

Wenn deine autistische Partnerin dir gegenüber keine Emotionen zeigt, liegt das einfach daran, das sie halt etwas merkwürdig ist und du solltest dir keine Sorgen darum machen.”

Das sind Botschaften, die sowohl autistischen Frauen als auch ihren Partnern gegenüber nicht zu verantworten sind. Eine Erklärung, inwiefern dies mit zentralen Werten des ZDF und auch Anforderungen an den Jugendschutz kollidiert, erübrigt sich.

Ich erhebe in folgenden Punkten konkret Beschwerde beim Rundfunkrat:

I (1) Wahrung der Menschenwürde

Ella Schön wird dargestellt als ein emotionsloses Wesen, das kaum Verständnis für menschliche Fehler hat und durch ihren Unwillen empathisch zu sein die mentale und körperliche Gesundheit anderer gefährdet. Die Darstellung in Ella Schön suggeriert, autistischen Personen würden viele wesentliche menschliche Eigenschaften fehlen. Ich bin dadurch zutiefst verletzt und erschüttert. Eine derart entmenschlichte Darstellung eines autistischen Individuums ist nicht mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde zu vereinen.

I (2) Bildung von Urteilsvermögen

In der Serie Ella Schön gibt es viele sehr positive, einfühlsame und auch richtige Darstellungen von autistischen Eigenschaften. Es gibt jedoch auch Aspekte, die dramaturgisch unverhältnismäßig übertrieben und teilweise durch fundamentale Missverständnisse grundlegend verzerrt sind. Zuschauende ohne weitreichende eigene Erfahrungen mit dem autistischen Spektrum können positive und problematische Darstellungen jedoch nicht voneinander trennen und so ist die Serie nicht dazu geeignet, gesellschaftliche Bilder von autistischen Menschen positiv zu prägen.
Noch viel schwerwiegender ist für mich jedoch, dass diese Serie keinerlei Problembewusstsein dafür aufbaut, wie autistische Menschen von unserer Gesellschaft marginalisiert werden und so das Schärfen eines Gewissens behindert.

II (2) Objektivität

Auch in fiktiven Serien haben Zuschauende des ZDF hohes Vertrauen darin, dass vermittelte Informationen zwar dramaturgisch überzeichnet, aber dennoch grundlegend richtig sind. Im Kontext dieser Beschwerde erübrigt sich die Erläuterung, weswegen “Ella Schön” dem nicht gerecht werden kann.

III (1) kritische Haltung gegenüber undemokratischen Erscheinungen

In der Serie wird gezeigt, wie Ella Schön sich mit ihren autistischen Eigenschaften in die Gemeinde einbringt und politisch engagiert. Dies schafft sie allerdings nur wegen einer bemerkenswerten Inselbegabung, die in dieser Intensität in echten autistischen Menschen nur sehr selten ist. Es wird auch gezeigt, wie sie, trotz ihrer bemerkenswerten kognitiven Fähigkeiten, andere Menschen immer wieder kränkt und verletzt. Diese Darstellungen verschärfen Sozialphobien, die häufig unter autistischen Menschen ausgeprägt sind.

Das Schaffen von unrealistischen Erwartungsbildern in Zusammenhang mit dem Schüren von Sozialphobien behindert autistische Menschen daran, sich in demokratischen Prozessen einzubringen und ist daher nicht mit den Grundsätzen eines sozialen Rechtsstaats vereinbar.

III (2) Förderung von Verständnis zwischen sozialen Gruppierungen und Schutz ethnischer Minderheiten.

Durch die Verbreitung von sachlich falschen und verletzenden Vorurteilen erschwert die Serie das friedliche Miteinander zwischen sozialen Gruppen. Autistische Menschen sind eine neurodivergente Minderheit und leiden in Deutschland unter systematischer Diskriminierung. Daraus ergibt sich eine hohe Verantwortung für Medienschaffende, der die Serie nicht gerecht wird.

Einordnung und Verbesserungsvorschläge

Viele Beispiele von internationalen Medienproduktionen (wie zum Beispiel die Netflix-Serie Atypical) haben immer wieder gezeigt, dass selbst Serien, die sich von autistischen Menschen haben beraten lassen, aufgrund von vorhersehbaren menschlichen Fehlern immer wieder mit guten Intentionen Werke produzieren, die für Betroffene sehr verletzend sein können und auch Auslöser für Ausgrenzung und Mobbing im Alltag sind.

Positive Beispiele, wie “Everything’s gonna be okay” haben hingegen oft gemein, dass autistische Personen in Schlüsselposition der Produktion beteiligt waren: In dieser Serie wurden die zwei autistischen Rollen auch von autistischen Schauspielerinnen besetzt.

Genau diese Darstellungen sind für autistische Menschen immens wichtig: Ich kenne mehrere Frauen, die erst durch das zufällige Kennenlernen von anderen gleichsam einzigartigen Wesen erkannt haben, dass es nicht inhärent tragisch oder traumatisierend sein muss, wenn sie autistisch sind. Diese Menschen wurden so entwürdigend behandelt und haben die erlebte Marginalisierung so weit internalisiert, dass sie selbst nicht mehr daran geglaubt haben es sei etwas Gutes, wenn sie existieren.

Das ist ein nicht hinnehmbarer Zustand und ich denke, die öffentlich rechtlichen Medien können eine zentrale Rolle darin spielen, diese Situation zu verbessern.

So hege ich keinen Groll gegen das ZDF oder die öffentlich rechtlichen Medien im Allgemeinen. Ich konnte mich persönlich im Rahmen der “FUNK” Programme selbst vertreten und halte die Sendeanstalten für eine große Bereicherung und eine der wichtigsten Säulen unser Demokratie. Meine Kritik ist motiviert von der Hoffnung, dass die Öffentlich Rechtlichen Medienanstalten einen großen Beitrag zur Inklusion neurodivergenter Menschen in dieser Gesellschaft leisten können und es schmerzt mich daher umso mehr, dass Ella Schön diesem Anspruch nicht gerecht wird.

Diese Kritik sowie die Menge an Zeit und Energie, die ich in Recherche, Rücksprachen und Formalisierung investiert habe ist eine Anerkennung dessen, wie wichtig die Öffentlich Rechtlichen Rundfunkanstalten und deren Kontrolle durch den Rundfunkrat ist. Auch wenn ich eine Serie kritisieren muss, die mich und viele meiner Freunde so schwer verletzt hat.

Denn sowohl “Ella Schön” als auch die Reaktion auf bisherige Kritikversuche meinerseits zeigen, dass das ZDF strukturell derzeit nicht in der Lage ist, dieser Verantwortung gerecht zu werden und daher muss ich diese Serie derart scharf und formell verurteilen: Und nichts fasst die strukturellen Probleme in dieser Produktion besser zusammen, als ein Zitat von Anette Frier im Interview mit Tom Zinram:

[Ich] hab’ aber nach einer kurzen Zeit auch gemerkt, wie unterschiedlich das [autistische Spektrum] is’. Und ehrlich gesagt hab’ ich mir ab nem gewissen Punkt tatsächlich die Ingredienzen genommen, auf die ich Bock hatte.”

Frau Frier zeigt hier, dass ihr bewusst war, das autistische Spektrum nicht gut genug verstanden zu haben. Die Konsequenz, die sie daraus zieht, ist jedoch absolut unverständlich. Deswegen habe ich auch schon versucht, auf niedrigschwelligeren Kontaktmöglichkeiten Feedback an das Team heran zu tragen, habe aber keine Kenntnis darüber, dass dies Erfolg hatte.

Deswegen und auch aufgrund von weiterem bestürzenden Feedback, das aus meinem Bekanntenkreis an mich heran getragen wurde, sehe ich es als angemessen an, das ZDF öffentlich für die Darstellung von autistischen Menschen in der Serie Ella Schön zu kritisieren.

Ich informiere Sie darüber, dass ich zeitgleich mit der Beschwerde einen Vortrag für die remote Chaos Experience, der diesjährigen Jahresabschlusskonferenz des CCC, einreichen werde. In diesem Vortrag wird es um eine Metakritik über Autismusrepräsenation in verschiedenen Medien gehen und Ella Schön wird dabei ein zentrales Beispiel sein. Natürlich möchte ich Ihnen auch die Möglichkeit geben, sich im Rahmen des Vortrages zu den hier genannten Kritikpunkten zu äußern.


Hochachtungsvoll,


Lars B_______

KORREKTUR:

Im orginalen Dokument von 19.11. wurde Frau Frier in einer sehr unglücklichen Art und Weise falsch geschrieben. Ich entschuldige mich für diesen Fehler, es hätte nicht passieren sollen und ich werde mir in Zukunft angewöhnen, Namen nochmal dediziert gegenzulesen.

*Wir können hier von konkreten Personen berichten, die uns gefragt haben, ob die Darstellung autistischer Emotionalität in romantischen Situationen authentisch und unbedenklich seien.